Tim Paulsen im Gespräch mit dem EID über das Esso Tankstellengeschäft.

In der gerade veröffentlichten Tankstellen-Sonderausgabe des Energie Informationsdienstes (EID) äußert sich Tim Paulsen über den Verkauf des Tankstellennetzes in Deutschland und die strategische Neuausrichtung des Geschäftmodells von Esso.

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EID: Herr Paulsen, seit Oktober vergangenen Jahres ist der mit Euro Garages (EG) vereinbarte Tankstellen-Deal nun in trockenen Tüchern. Seitdem besitzt und betreibt ExxonMobil in Deutschland selbst keine Tankstellen mehr, gleichwohl soll die Marke Esso hierzulande weiter wachsen. Wie geht das?

Paulsen: Wir setzen auf Wachstum. Denn natürlich bedeutet der Verkauf unserer Tankstellen an EG nicht den Abschied der Marke Esso aus dem deutschen Markt. Wir wollen uns ein größeres Stück vom Kuchen des deutschen Tankstellenmarkts holen, einerseits mit unserem neuen großen Partner EG, mit dem wir eine langfristige Zusammenarbeit vereinbart haben, aber auch indem wir verstärkt mit weiteren Marktteilnehmern kooperieren. Wir haben Hunger und sehen das Potential mit weiteren Markenvertriebspartnern noch erfolgreicher zu werden. Wir haben uns fit für zukünftiges Wachstum gemacht.

EID: Ihren Marktansatz nennen Sie „Branded Wholesaler“. Was steckt genau hinter diesem Modell?

Paulsen: Wir würden diesen Begriff mit „Markenvertriebspartner“ übersetzen. Das heißt, unsere Partner sind eigenständige Unternehmen, die ein Tankstellennetz betreiben und für die wir der Markengeber und Kraftstoff- sowie Schmierstofflieferant sind. Kurz: Jeder tut das, was er am besten kann, und beide profitieren davon. Das ist ein Modell, mit dem wir in diversen anderen Ländern auf der Welt bereits sehr gute Erfahrungen gemacht haben, das zukunftsorientiert und langfristig angelegt ist. Ein echtes Win-Win-Konzept für Esso und seine Markenvertriebspartner.

EID: Jetzt hat der Strategieschwenk dazu geführt, dass Sie mit EG nun nur den einen großen Markenpartner haben, statt wie ursprünglich einmal geplant mehrere kleinere oder mittelgroße. Wie ist es dazu gekommen?

Paulsen: Wir praktizieren das Modell bereits seit langem in den USA. In Europa waren die ersten Märkte, in denen das Konzept eingeführt wurde, Großbritannien, Benelux, Italien, Frankreich und Norwegen. Überall haben wir damit großen Erfolg und dies meist mit mehreren Markenvertriebspartnern. Insgesamt hat Esso europaweit davon übringens 40 und jeder einzelne ist sehr wichtig für uns. Als wir dann vor zweieinhalb Jahren das Projekt auch für den deutschen Markt in Erwägung gezogen haben, ging es zunächst einmal darum, das Interesse für eine solche Zusammenarbeit zu testen. Sehr schnell haben wir dann festgestellt, dass dem so war, es gab sogar sehr großes Interesse im Markt. Und zwar auch daran, das deutsche Esso-Tankstellennetz als Gesamtheit zu übernehmen und zu betreiben.

EID: Das heißt, es gab nicht nur den einen Kandidaten EG?

Paulsen: Richtig, wir hatten sowohl Anfragen aus dem deutschen Mittelstand nach kleineren und mittelgroßen Paketen wie auch von verschiedenen ausländischen Unternehmen, die sich mitunter für das gesamte Netz interessierten.

EID: Warum ist der Zuschlag an EG gegangen?

Paulsen: Weil das Unternehmen für all das steht, was wir uns für das deutsche Esso-Tankstellennetz wünschen. EG hat eine ausgesprochene Vertriebskompetenz, wertschätzt die Marke Esso, die es gegenüber den Kunden vertritt, kann Marken mit Leben füllen und strebt Wachstum auch im Shop-Geschäft an. Wir können das beurteilen, denn wir arbeiten mit EG ja bereits seit langem in anderen Ländern intensiv und erfolgreich zusammen. EG betreibt mehr als 3.000 Esso Stationen in Europa und ist damit ein starker Partner. Nach der Entscheidung für EG Ende 2017 wollten wir den Verkauf in weniger als einem Jahr abschließen. Das war ein sehr ambitioniertes Ziel, schließlich mussten wir das deutsche Tankstellengeschäft komplett aus dem ExxonMobil-Verbund herauslösen und eine eigenständige Organisationsstruktur aufbauen, was ein riesiges IT- und Reorganisationsprojekt darstellte. Dies war notwendig, um den Verkauf des Tankstellennetzes und den Wechsel des Geschäftsmodells zu ermöglichen. Wir sind stolz, dass uns das in dem gesetzten Zeitrahmen gelungen ist. Ein sehr starkes Projekt-Team hat gemeinsam mit zahlreichen Kollegen aus den Business-Lines und vielen Kontraktoren in den vergangenen Monaten herausragende Arbeit geleistet. Besonders freut uns, dass dieser Wechsel reibungslos und für unsere Kunden ohne Beeinträchtigungen erreicht wurde. Denn hierum geht es: Kunden für die Marke Esso und seine Tankstellen zu begeistern.

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EID: Weil jeder der Partner besondere Stärken hat, müssen die Aufgaben in dem Branded Wholesaler-Modell zwischen beiden auch klar verteilt sein, sagen Sie. Wie sieht diese Kompetenzverteilung genau aus, und inwieweit hat das die Strukturen des Tankstellengeschäfts bei ExxonMobil verändert?

Paulsen: Die Stärken von Esso liegen in der sicheren Versorgung unserer Markenvertriebspartner mit unseren Synergy-Kraftstoffen. Darüber hinaus stellen wir das gesamte Marketing zur Verfügung, dazu zählen das Esso und Synergy Branding, unsere ESSO Card Tankkarten-Akzeptanz, unsere Kundenbindungsprogramme und Payment-Lösungen. Der Branded Wholesaler ist dann der Vertragspartner für all seine Pächter und Händler, und neben der Belieferung und dem Pricing auch für die Entwicklung kreativer, flexibler und agiler Konzepte für die verschiedenen Einzelhandelsbereiche der Tankstelle verantwortlich. Für unsere Organisation bedeutet das, dass wir das Marketing, auch personell, gestärkt haben – unser wertvollstes Asset ist schließlich die Marke Esso und die dahinterstehenden Programme. Weitere Schwerpunkte setzen wir bei der Entwicklung von technologie-bezogenen Projekten. Zusätzlich haben wir die Fuel Value Chain, also die Wertschöpfungskette beginnend bei der Raffinerie über Logistik bis in den Vertrieb, enger verknüpft, um die Kundenbedürfnisse noch besser bedienen zu können. Diese Kombination aus Stationsbetrieb durch einen großen Mittelständler wie EG in Verbindung mit unserer starken Marke Esso bewerten wir als den zentralen Wachstumstreiber in der gemeinsamen Strategie.

EID: Nun ist es immer der Geschäftsansatz von EG gewesen, auch andere starke Marken aus allen möglichen Bereichen auf die Tankstelle zu bringen. Befürchten Sie nicht, dass es zu einer Verwässerung der eigenen Marke Esso kommen könnte?

Paulsen: Esso ist in diesem Modell die starke, führende Marke, die die Tankstelle definiert, die Kraftstoff-Kompetenz ausstrahlt und die Station unterscheidbar macht. Wenn dann im Shop- und Food-Service-Geschäft andere kraftvolle Namen auf der Tankstelle eingesetzt werden und Kompetenz für ihr jeweiliges Geschäft ausstrahlen, dann verstehen wir das vielmehr als eine Stärkung des gesamten Standortes. Da es nachgewiesener Maßen bereits in anderen Märkten funktioniert, sind wir überzeugt, dass es sich auch für den deutschen Markt als Win-Win-Situation erweist.

EID: Sie wollen mit EG im deutschen Tankstellenmarkt wachsen – aber muss EG auch mit Ihnen im deutschen Tankstellenmarkt wachsen, sprich: Muss EG jede neue Tankstelle, die sie baut oder akquiriert, auf Esso flaggen?

Paulsen: Ich bin davon überzeugt, dass wir mit Esso eine so attraktive Marke anbieten, dass EG auch künftig gern und vertrauensvoll mit uns zusammenarbeitet. In Benelux hat EG im vergangenen Jahr einige hundert Tankstellen zusätzlich auf Esso umgeflaggt. Das zeigt, dass die Zusammenarbeit sehr gut und fruchtbar ist – für beide Seiten. Im Übrigen sind wir nun ja auch gerade erst in Deutschland gestartet und stecken nun unsere gemeinsame Kraft in diese Kooperation, um unsere Ziele zu erreichen – Wachstum!

EID: Auf der anderen Seite wollen Sie weitere Markenpartner für die Marke Esso gewinnen…

Paulsen: Und dabei sehen wir uns auf gutem Weg. Im vergangenen Jahr haben die Kolleginnen und Kollegen aus unserem Market-Development-Team bereits viele gute Gespräche mit Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand geführt. Wir wollen den Markt weiter entwickeln und zusätzliche Markenvertriebspartner gewinnen. Es ist im Übrigen auch im Interesse von EG, die Präsenz der Marke Esso durch zusätzliche Markenpartner zu stärken.

EID: Markenstärke und -kompetenz soll Ihrem Unternehmen insbesondere auch das Synergy-Konzept verleihen. Wie weit sind Sie bei der Modernisierung des eigenen Netzes mit Synergy?

Paulsen: Wir haben inzwischen rund 860 Tankstellen mit dem Synergy-Design ausgestattet, die restlichen werden in diesem Jahr folgen. Das Synergy-Konzept ist ein ganz wichtiger Teil unserer Markenpositionierung. Wir schaffen uns damit ein modernes Erscheinungsbild, transportieren die Stärke unserer Kraftstoffmarke und zeigen, dass Synergy-Kraftstoffe eben keine austauschbaren Produkte sind. Sie stehen für höhere Effizienz sowie bessere Motorsäuberung und -leistung.

EID: An der Autobahn hatte sich ExxonMobil nach der jüngsten Versteigerungsrunde der Tank & Rast unlängst zum größten Einlieferer von Kraftstoffen aufgeschwungen. Wo findet sich dieses Geschäft nach dem EG-Deal wieder?

Paulsen: Bei 54 Bundesautobahntankstellen (BAT) ist EG jetzt der Agenturgeber. Esso ist zudem bei acht „Tank & Rast“-Stationen der Kraftstoffpartner. Insofern haben wir mit EG und der Tank & Rast schon heute zwei Markenvertriebspartner in Deutschland.

EID: Und wie sieht es bei den alternativen Kraftstoffen an Esso Tankstellen künftig aus?

Paulsen: Auch hier gilt: Mit dem Kauf der Esso Tankstellen hat EG auch die gesamte bestehende Vertragsstruktur und damit auch das bestehende Produktangebot übernommen. Also die Positionierung ist sowohl mit 85 Erdgasstandorten und 331 Autogas-Stationen sehr gut. Zudem besteht bei einigen Esso Stationen auch schon die Möglichkeit, E-Autos zu laden. Wir stehen als Esso prinzipiell neuen beziehungsweise anderen Technologien offen gegenüber und sind bereit, gute Konzepte auch gemeinsam mit unseren Markenvertriebspartnern zu entwickeln.

EID: Galt das Tankstellengeschäft lange als analoge Provinz, forcieren die Unternehmen inzwischen den Ausbau ihrer digitalen Angebote, vor allem wenn es um das Bezahlen geht. Wohin weist dabei der Weg an den Esso Stationen?

Paulsen: Nun, wie schon beim kontaktlosen Bezahlen sind wir auch bei neuen Angeboten wie Google Pay und Apple Pay von Anbeginn mit dabei. Was nun das Thema App betrifft, so glauben wir, dass wir hier die Wünsche unserer Kunden hinsichtlich der digitalen Bezahl- und Vertriebsangebote am besten in einer eigenen Esso Lösung abbilden können, die wir derzeit entwickeln und in diesem Jahr in den Markt bringen wollen. Unsere zukünftige Esso App wird mit unseren Kundenbindungsprogrammen inklusive Bezahlfunktion verknüpft und bietet unseren Kunden damit einen großen Zusatznutzen. Grundsätzlich steht das Kundenerlebnis bei der zukünftigen Esso App im Zentrum – wir wollen unsere Kunden begeistern.

Vielen Dank für das Gespräch. Das Interview wurde von Rainer Wiek vom EID geführt.

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