Raffinerieprozess
Benzin, Diesel, Heizöl, aber auch Frischhaltefolien, Fahrradhelme, Waschmittel und Zahnbürsten haben eines gemeinsam: Erdöl. Der Rohstoff dient nicht nur als Energielieferant, sondern ist auch Bestandteil in zahlreichen Alltagsgegenständen.
Rohölverarbeitung – von der Raffinerie zur Produktvielfalt
Benzin, Diesel, Heizöl, aber auch Frischhaltefolien, Fahrradhelme, Waschmittel und Zahnbürsten haben eines gemeinsam: Erdöl. Der Rohstoff dient nicht nur als Energielieferant, sondern ist auch Bestandteil in zahlreichen Alltagsgegenständen. Um aus Erdöl hochwertige, gebrauchsfähige Produkte zu gewinnen, sind aufwendige technische Förderungs- und Verarbeitungsprozesse nötig.
Unterschiedliche Ölfelder der Erde liefern unterschiedliche Rohölsorten. Manche sind dünnflüssig und von strohgelber Farbe, manche dickflüssig, beinahe schon fest und tiefschwarz, einige enthalten viel Schwefel, andere sind fast schwefelfrei. Dennoch haben sie eines gemeinsam: Sie bestehen fast ausschließlich aus Kohlen- und Wasserstoff in chemischer Verbindung. In ihre Elemente zerlegt, enthalten Rohöle 83 bis 87 Gewichtsprozent Kohlenstoff, 11 bis 15 Gewichtsprozent Wasserstoff, 0 bis 6 Gewichtsprozent Schwefel sowie Spuren von Sauerstoff, Stickstoff und Metallen. Diese chemische Zusammensetzung, vor allem die Kohlen- und Wasserstoffverbindungen, ermöglicht theoretisch Millionen verschiedenartiger Molekülstrukturen.
Am Anfang der Rohölverarbeitung steht die Destillation
Die Destillation trennt die Kohlenwasserstoffe des Rohöls nach Molekülgröße auf. Bei der atmosphärischen Destillation unter Normaldruck entstehen Gas, Flüssiggas sowie Rohbenzinund Mitteldestillat.
Das Rohöl wird aus Lagertanks über einen Entsalzer und anschließende Wärmetauscher in einen Röhrenofen gepumpt, wo es auf etwa 350 bis 400 °C erhitzt wird. Anschließend gelangt es als Dampf-Flüssigkeitsgemisch in den ersten Destillationsturm mit atmosphärischem Druck.
Der Turm ist in verschiedene Böden unterteilt. Dort herrschen jeweils unterschiedliche Temperaturen – unten heiß, nach oben immer kälter. Die leichteren Kohlenwasserstoffe steigen als Dampf auf, kühlen sich ab und gehen etwas unterhalb ihrer Siedetemperatur auf den verschiedenen Böden des Turms wieder in flüssigen Zustand über. Sie werden als sogenannte Fraktionen von den jeweiligen Ebenen abgeleitet und dann im Hydrofiner oder Reformer weiter aufbereitet.
Die schweren Kohlenwasserstoffe bleiben flüssig am untersten Boden des Turmes zurück. Dieser Produktanteil, der unter Normaldruck nicht destilliert werden kann, wird als atmosphärischer Rückstand bezeichnet und in einen Vakuumturm geleitet, in dem ein verminderter Druck herrscht.
Die Destillation im Vakuumturm funktioniert genauso wie die im Arbeitsschritt zuvor, macht sich aber die Tatsache zu Nutze, dass Flüssigkeiten bei geringerem Druck früher sieden. Daher verdampfen die schweren Kohlenwasserstoffe nun, kühlen sich auf den verschiedenen Böden ab und werden wieder flüssig. Die Vakuum-Destillation erzeugt unterschiedliche Gasöle als Ausgangsstoff für die Schmierstoffherstellung oder Einsatzstoff für Konversionsanlagen (Cracker). Der Rückstand dient als Vorprodukt zur Herstellung von Bitumen (Straßenbau, Dachpappe, Isolierung etc.) oder als Komponente des schweren Heizöls.
Eine einfache Raffinerie kann aus Rohöl mittlerer Qualität durchschnittlich etwa 15 Prozent Benzin, 35 Prozent Dieselkraftstoff und leichtes Heizöl sowie 45 Prozent schweres Heizöl produzieren. Will man diese Verteilung ändern, bleiben im Wesentlichen zwei Wege: die Verarbeitung anderer Rohölsorten oder eine Verschiebung der Siedegrenzen.
Für die Verarbeitung anderer Rohölsorten müssen diese verfügbar sein. Außerdem muss die Wirtschaftlichkeit bedacht werden, denn leichte Rohölsorten sind teurer als schwere. Die Verschiebung der Siedegrenzen ist möglich da die Trennung der einzelnen Kohlenwasserstoffgruppen zeitweise gewisse Spielräume bietet.
In den Grenzbereichen zwischen den verschiedenen Kohlenwasserstoffgruppen, den sogenannten Schnitten, gibt es Bestandteile, die sowohl dem einen als auch dem anderen Bereich zugeordnet werden können. So können aufgrund hoher Qualitätsanforderungen der verschiedenen Produkte beispielweise lediglich 3 bis 5 Prozent des Diesels und leichten Heizöls dem Benzin zugeschlagen werden. Das gleiche ist beim Übergang vom Gasöl (Diesel und leichtes Heizöl) zum schweren Heizöl möglich. Vergrößert man allerdings den Anteil eines Produktes, so geht dies immer auf Kosten der übrigen; dies ist das Wesen der Koppelproduktion.
Wenn die in der Destillation erzeugte Produktpalette die Nachfrage auf dem Markt nicht mehr decken kann, bedarf es anderer Anlagen, in denen etwa die schweren Bestandteile des Rohöls in leichtere umgewandelt werden. Sie vermindern also die Erzeugung schweren Heizöls und vergrößern gleichzeitig die Produktion von Benzin, Dieselkraftstoff und leichtem Heizöl, ohne zusätzliches Rohöl verarbeiten zu müssen. Solche Anlagen werden Konversionsanlagen - oder Cracker - genannt.
Cracken – von der Spaltung zur Umwandlung
Während bei der Destillation nur die natürlich im Rohöl vorkommenden Kohlenwasserstoffe voneinander getrennt werden können, verwandeln Crackverfahren lange, schwere Kohlenwasserstoffmoleküle in kürzere. Dazu werden sie in Konversionsanlagen gespalten (engl. to crack). Man unterscheidet drei Verfahren: das thermische, das katalytische und das Hydrocracken.
Das älteste und einfachste Crack-Verfahren ist das thermische Cracken. Hohe Temperaturen bringen die großen Moleküle in so starke Schwingungen, dass ab etwa 360°C die Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen zerbrechen. Dieser Vorgang spielt sich in den Röhren eines Spaltofens ab. Die Temperatur – sie kann bis zu 900°C erreichen – und die Verweilzeit der Kohlenwasserstoffe im Crack-Ofen richten sich nach dem Ausgangsstoff und den gewünschten Produkten.
Das technisch eleganteste und flexibelste, zugleich aber auch teuerste Verfahren ist das Hydrocracken. Vakuum-Gasöl wird unter hohem Druck von etwa 100 bar mit Wasserstoff vermischt, erhitzt und durch einen mit einem Festbettkatalysator versehenen Reaktor geschickt. Danach gelangen die Kohlenwasserstoffe in den Abscheider, wo der überflüssige Wasserstoff abgetrennt und in den Kreislauf zurückgeführt wird. Währenddessen werden die verbleibenden Moleküle im Fraktionierturm aufgeteilt werden. Die schweren Rückstände, die nach der Fraktionierung verbleiben, werden zu einer weiteren Behandlung in einen zweiten Reaktor gegeben.
Das Hydrocracken hat den Vorteil, dass sich je nach Katalysator und Betriebsbedingungen die gewünschte Ausbeute steuern lässt. So kann im Hydrocracker entweder fast ausschließlich Benzin oder vorwiegend Dieselkraftstoff und leichtes Heizöl bei einem geringen Benzinanteil gewonnen werden.
Coker und Hydrofiner – hoher Druck und heiße Prozesse
Coker machen auch aus sehr schweren Rückständen noch verwendbare Produkte. Benannt ist die Anlage nach dem Produkt, das während des Prozesses überwiegend entsteht, dem Petrolkoks. Um jedes Molekül des Rohöls verwenden zu können, werden Verfahren angewandt, die einen hohen Energiebedarf haben. Dieser wird unter anderem aus dem Raffineriegas gedeckt.
Eines dieser Verfahren ist das Delayed Coking. Mit einem Druck von etwa 30 bar wird das Einsatzprodukt – zum Beispiel der Rückstand aus der Vakuumdestillation – in einen Ofen geleitet und auf etwa 500°C erhitzt. Unter diesen Bedingungen durchströmt es den Ofen beinahe mit Schallgeschwindigkeit und verkokt beim Eintritt in die Verkokungskammer, in der nur noch ein Druck von gut 4 bar herrscht. Jeweils eine dieser Kammern befindet sich in Betrieb, während aus der anderen der Koks mittels Wasser unter hohem Druck herausgeschnitten wird.
Die leichten Kohlenwasserstoffe werden in einen Fraktionierturm geleitet. Der entstehende Petrolkoks wird Grünkoks genannt und kann nach dem Zerkleinern verkauft oder weiter veredelt werden. Letzteres geschieht in einem Kalzinierungsprozess, in dem bei Temperaturen von 1.200°C in Öfen mit Drehrohren oder Drehtellern noch vorhandene Ölbestandteile abgebrannt und verkokt werden.
Die Entschwefelung von Benzin, Kerosin und Mitteldestillaten im Hydrofiner ist eines der wichtigsten Verfahren zur Beseitigung unerwünschter Bestandteile in Mineralölprodukten. Denn aus Umweltschutzgründen darf in den Endprodukten nur noch sehr wenig Schwefel enthalten sein.
Die Produktströme werden dazu zunächst mit Wasserstoff vermischt, erhitzt und in einen Reaktor geleitet, der mit einem Katalysator gefüllt ist. Dort verbindet sich bei einer Temperatur zwischen 300 und 350°C über dem Katalysator der Schwefel aus den schwefelhaltigen Produktmolekülen mit dem Wasserstoff zu Schwefelwasserstoff. Das Produkt, der Schwefelwasserstoff sowie der übrig gebliebene Wasserstoff durchlaufen dann einen Trennturm.
Die entschwefelten Produkte werden abgezogen und der Wasserstoff kehrt wieder an den Ausgangspunkt des Verfahrens zurück. Der Schwefelwasserstoff wird in einer weiteren Anlage, dem Clausofen, in elementaren Schwefel umgewandelt, der als Rohstoff von der chemischen Industrie genutzt wird.
Reformer – Tuning fürs Benzin
Um Benzin als Kraftstoff für den Antrieb eines Autos verwenden zu können, müssen Mindest-Oktanzahlen eingehalten werden. Das wird durch die Zumischung hochoktaniger Komponenten erreicht. Dazu kommt der sogenannte Reformer zum Einsatz.
In ihm wird Rohbenzin aus der Destillation erneut erhitzt. Die heißen Gase gelangen unter Druck in mehrere hintereinanderstehende Reaktoren. Die niedrigoktanigen Moleküle verlieren in Gegenwart eines Platinkatalysators einige ihrer Wasserstoffatome und werden zu hochoktanigen Benzinmolekülen, die man „Reformat“ nennt.
Bei diesem Verfahren entsteht Wasserstoff. Er wird nach dem letzten Reaktor in einem Trennbehälter (Abscheider) von den Benzinmolekülen befreit und beispielsweise im Hydrofiner eingesetzt.
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